Dass sich Künstliche Intelligenz rasant weiterentwickelt, dürfte kein Geheimnis mehr sein, aber wo liegen in Zukunft die konkreten, nutzenstiftenden Ansatzpunkte im Autohaus und mit welchen begleitenden Themen dürfen wir in Autohaus und Werkstatt rechnen?  Dieser Artikel liefert Antworten.

Wir befinden uns im Jahr drei nach dem iPhone-Moment der Künstlichen Intelligenz, also jenem 30. November 2022, als OpenAI der Öffentlichkeit sein Sprachmodell ChatGPT vorstellte.  Seitdem sind weltweit Milliarden in ihre Weiterentwicklung geflossen.  Wenn wir aber ehrlich sind, müssen wir feststellen, dass eine KI im Autohaus weder den Kundenkontakt vollständig übernommen hat, noch hat Microsofts Copilot die ganz großen Wow-Effekte erzeugt.  Ja, wir haben gelernt E-Mails mit ChatGPT vorzuformulieren, Voice-Bots an der Kundenschnittstelle arbeiten für bestimmte Aufgabenstellungen immer präziser und auch an verschiedenen anderen Stellen haben sich insbesondere generative Sprachmodelle als Handreichung im Arbeitsalltag erwiesen.  Ebenso befindet sich bei diversen Anbietern von Softwarelösungen immer mehr „irgendetwas mit KI“ unter Motorhaube.  Bei Letzterem kann es dem Anwender aber eigentlich egal sein, ob hier KI oder irgendein anderes technologisches Wunderwerk am Werk ist, Hauptsache es tut was es soll und ist zu kostenverträglichen Bedingungen erhältlich.

Kommt da also noch der ganz große Knall bei der KI oder können wir zumindest in naher Zukunft mit konkreten, praktischen und nutzenstiftenden Entwicklungen für unsere Branche rechnen?  Ja, können wir, nicht zuletzt auch deshalb, weil die Anbieter von KI-Lösungen gezwungen sind, dass sich ihre immensen Investitionen durch konkrete, nutzenstiftende und kommerzialisierbare Geschäftsmodelle rentieren.  Wir befinden uns mitten in der Kommerzialisierungsphase von KI und die Nutzung in der Praxis steht im Fokus.  Befeuert vom anhaltenden technologischen Fortschritt zeichnen sich in naher Zukunft vier konkreten Einsatzgebiete von KI in Autohaus und Werkstatt ab, zu deren erfolgreicher Umsetzung drei weitere, einsatzbegleitende Themen beachtet werden sollten.

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Einsatzgebiete von KI im Autohaus

Hyperpersonalisierung der Kundenerfahrung

Der Handel lebt von der bestmöglichen Kundenbeziehung. Je persönlicher die Kundenerfahrung ist, umso stärker ist dieser emotional an den Händler gebunden und umso höher ist die Kaufwahrscheinlichkeit.  Dies gilt für die analoge, ebenso wie für die digitale Welt.  Personalisierung entsteht immer dann, wenn Angebote, Texte, Bilder etc. nicht für alle gleich aussehen, sondern wenn der Kunde den Eindruck hat, dass seine individuellen Bedürfnisse dabei besonders berücksichtigt werden.

Ein solches, digitales Informationsbeispiel sind die Fahrzeugbeschreibungen auf Websites oder in Exposees.  Um diese Fahrzeugbeschreibung auf einer Händlerwebsite hochgradig zu personalisieren, kann man zum Beispiel das Klickverhalten eines Besuchers auf der Website speichern, also z.B. auch die Kriterien, die er in die Suchmaske für Fahrzeuge im Händlerbestand eingegeben hat.  Diese Suchkriterien werden dann zusammen mit einer Standard-Fahrzeugbeschreibung (z.B. vom Hersteller) einer generativen KI mit dem Auftrag übergeben:  „Schreib die Standard-Fahrzeugbeschreibung so um dass die Suchkriterien des Besuchers besonders hervorgehoben werden und am Anfang stehen“.  Diese individualisierte Beschreibung wird dann dem Besucher auf der Website angezeigt, wodurch eine personalisierte Nutzererfahrung entsteht.  Weiterhin ist denkbar, dass eine KI auf der Basis der von einem Besucher bereits aufgerufenen Bestandsfahrzeuge eine Ähnlichkeitssuche durchführt und weitere zur Kundenpräferenz passende Fahrzeug anzeigt.  Dies kann sich bis zum kuratierten Kaufen erstrecken, wo Fahrzeugvorschläge auf der Grundlage von Persönlichkeitstests gemacht werden, nach dem Motto:  „Sag mir wer Du bist und ich schlage Dir passende Fahrzeuge vor!“  Eine ebenso personalisierte, digitale und analoge Kundenerfahrung entsteht, wenn ein Autohaus-Mitarbeiter bei einem Kundenanruf (analog) alle Informationen aus den betrieblichen Daten (digital) automatisch angezeigt bekommt.  Angaben über gehaltene Fahrzeuge, die letzten Serviceaufenthalte, Beschwerden usw. unterstützten den Mitarbeiter bei einer telefonischen Willkommenskultur und machen die Frage „waren Sie schon einmal bei uns?“, über die sich insbesondere langjährige Stammkunden immer wieder ärgern, überflüssig.  Diese Anwendung ist gleichzeitig auch einen Vertreter aus dem zweiten Einsatzgebiet, nämlich den KI-Agenten als „virtuelle Kollegen“.

Autonome (KI-)Agenten als virtuelle Kollegen

Autonom arbeitende (KI-)Agenten sind Softwarepakete, die selbstbestimmt und eigeninitiativ Aufgaben in einer definierten Umgebung zur Erreichung vorgegebener Ziele ohne menschliches Eingreifen ausführen.  Neben dem im vorigen Kapitel beschriebenen Sammeln, Aufbereiten und Präsentieren von Kundeninformationen sind im Autohaus bereits erste Agenten im Einsatz, die ein Telefonat zwischen Verkäufer und Kunde mithören.  Dabei identifiziert die KI des Agenten im Telefonat vereinbarte Aufgaben des Verkäufers und beginnt diese selbständig abzuarbeiten.  So kann der Agent einen Kunden noch während des Telefonats bereits im Verkäuferarbeitsplatz anlegen, ein Exposee zum besprochenen Fahrzeug als PDF-Datei an eine E-Mail hängen, die E-Mail vorformulieren und dem Verkäufer zur Prüfung und zum Versand präsentieren oder einen Wiedervorlagetermin eintragen.  Weiterhin erhält der Verkäufer am Gesprächsende ein Gesprächsprotokoll mit einer ToDo-Liste, welche beide nach der Freigabe durch den Verkäufer als Gesprächsnotiz im Verkäuferarbeitsplatz gespeichert werden. Diese vollständig automatisierten Anwendungsfälle sind keine Zukunftsmusik, sondern werden von Dienstleistern bereits aktiv vermarktet.  Ebenso sind Agenten, die in der Vorbereitung eines Serviceauftrages die Vielzahl der Systeme abklappern (u.a. Arbeitspakete, AW’s, Garantiethemen, Feldaktionen, Rückrufe etc.) und alle Daten eigenständig im Auftrag ablegen heute schon erhältlich.  Die Beispiele für Agenten lassen sich beliebig fortführen und erstrecken sich auch auf einfache Bots, die z.B. Belege von den Belegportalen der Hersteller herunterladen, klassifizieren und automatisch dem nächsten Bearbeitungsschritt zuführen bis zum Datenbankabgleich zwischen zwei Systemen, z.B. für den Abgleich von Datenschutzerklärungen zwischen Systemen im Autohaus, die über keine Schnittstelle verfügen.

Intelligente, adaptive Informationssuche

Ein wichtiger Zeitdieb in fast allen Betrieben aller Branchen ist die Informationssuche und auch hier kann KI wirksam unterstützten.  So kann man z.B. alle PDF-Dokumente des Herstellers einer KI über ein Chat-Fenster zugänglich machen und der Mitarbeiter im Autohaus kann diese gezielt abfragen.  Damit ist z.B. prüfbar, ob ein bestimmter technischer Sachverhalt am Fahrzeug unter die Garantie- oder Kulanzregelungen des Herstellers fällt.  Herstellerrechnungen und -belege können durchsucht werden und aus umfangreichen Dokumente kann im Frage-Antwort-Spiel die gesuchte Information gezielt extrahiert werden, ohne Inhaltsverzeichnisse oder gar das ganze Dokument durchlesen zu müssen.  Auch die Datenbanken eines Autohauses lassen sich so in natürlicher Sprache abfragen.  So kann ein Verkäufer, der sich auf ein Kundengespräch vorbereiten möchte, einfach die Frage stellen „Gibt mir bitte alles, was wir über unserem Kunden XYZ wissen und beantworte besonders die Frage, ob er den Service regelmäßig bei uns durchführt oder schon fremd gegangen ist“.  Auch die zu einem Kunden passenden Fahrzeuge im eigenen Bestand und die Ermittlung anderer Potenziale lassen sich durch Analyse seines Kaufverhaltens sowie aller weiterer Daten im Betrieb automatisiert finden.

Optimierung der Teamarbeit

In diesen Bereich fallen alle Tools, die die innerbetriebliche Zusammenarbeit verbessern, angefangen bei der funktionsübergreifenden Zusammenarbeit an Dokumenten, Tools für virtuelle Meetings, Unterstützung des Projektmanagements, sowie bei der täglichen Aufgabenpriorisierung, Team-Koordination, Terminfindung, Erstellen von Agenden, Notizen, Protokollen etc.  Diese Aufgaben erfolgreich zu unterstützen fällt am ehesten den Anbietern von Groupware-Software wie Microsoft (Teams, Outlook etc.) oder kollaborativen Plattformen wie Slack, NextCloud und anderen zu.

Einsatzbegleitende Themen von KI im Autohaus

Bei allen vier beschriebenen Einsatzgebieten, auf denen ein verstärkter Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Autohaus heute schon möglich ist bzw. in naher Zukunft erwartet wird, muss man jedoch auch begleitende Themen im Auge behalten die deren erfolgreiche Umsetzung unterstützen bzw. erst ermöglichen.

Datenverfügbarkeit und private KI‘s im Autohaus

So gut wie allen Einsatzgebieten ist gemein, dass diese über ein einfaches Prompt-Fenster zu ChatGPT & Co. nicht umsetzbar sind.  Der Grund ist, dass diese Anbieter entweder keinen Zugriff auf betriebliche oder kundenbezogene Daten haben oder diesen aus Gründen des Datenschutzes oder geltender Geheimhaltungsvereinbarungen nicht haben dürfen.  Daher können die skizzierten Potenziale nur gehoben werden, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind:

  • Betriebliche Daten müssen über Schnittstellen zu den betroffenen EDV-Systemen und idealerweise zusätzlich in integrierten Datenmodellen wie einer Middleware oder einem Data-Hub an zentraler Stelle zugänglich sein.  Hier ist zu hoffen, dass sich die langsame Öffnung der betrieblichen Informationssysteme weiter fortsetzt und Autohäuser weiterhin in die Organisation und Strukturierung Ihrer Daten als wesentliches Betriebsvermögen investieren.
  • Damit die zum Einsatz kommende KI den rechtlichen Anforderungen (insb. Datenschutz, Geheimhaltung, Urheberrecht etc.) genügt, muss sichergestellt werden, dass sie als private KI nur dem Autohaus zur Verfügung steht.  Dies ist bereits jetzt schon ohne weiteres umsetzbar, indem z.B. ein Large-Language-Model aus dem Open-Source-Bereich lokal auf einem Server im Autohaus gehostet wird.  Hinsichtlich der hierfür einzusetzenden Hardware reicht z.B. ein gut ausgestatteter Gaming-PC für kleinere und mittlere Autohäuser vollkommen aus.  Wer sich keine zu wartende Hard- und Software ins Haus stellen möchte kann alternativ auf private KI’s der großen Anbieter (z.B. Microsoft) in der Cloud zurückgreifen, die per API angebunden werden können.

KI breiter und differenzierter denken

Im weiteren Verlauf der Durchdringung der Betriebe mit künstlicher Intelligenz wird man auch feststellen, dass Large Language Models nicht die allheilbringende Lösung für alle Aufgabenstellung sind.  Die Technologien und Algorithmen werden sich weiter differenzieren und verfeinern.  Wichtig für das Autohaus ist hier, am Ball zu bleiben und zumindest grundsätzliches Wissen über die eingesetzten Technologien sowie deren weitere Entwicklungen im Zugriff zu haben.  Eine Übersicht über die verschiedenen Spielarten der KI finden Sie hier.

Erst der Mensch, dann die Technologie

Auch im Zeitalter von KI gilt, dass für das Scheitern der Mehrheit der technologieorientierten Projekte in Betrieben nicht die Technologie, sondern der Mensch verantwortlich ist.  Es bleibt also eine nicht zu unterschätzende Aufgabenstellung, die Mitarbeiter im Betrieb davon zu überzeugen, sich auf die neuen Technologien einzulassen und diese wertschöpfend einzusetzen.  Schulungen, wie sie z.B. vom EU AI Act bereits für Autohäuser vorgeschrieben sind, sind ein guter Anfang.  Noch besser ist eine Unternehmenskultur, die zum Experimentieren einlädt, was auch die Toleranz gegenüber den dabei notwendigerweise gemachten Fehlern einschließt.  Hier können Anreizsysteme oder Wettbewerbe helfen. Gleichzeitig bedarf es dazu aber auch den Aufbau von technologischem Wissen, entweder im Haus oder bei Dienstleistern, damit die zum Experimentieren notwendige Hard- und Software schnell, unkompliziert und kostengünstig identifiziert und bereitgestellt werden kann.  Hintergrundinformationen zu KI im Autohaus finden Sie in unserer dreiteiligen Artikelreihe.

Künstliche Intelligenz dürfte noch sehr weit davon entfernt sein, die Weltherrschart an sich zu reißen.  Wir können aber von ihr auch in naher Zukunft viele weitere konkrete und nutzenstiftende Lösungen erwarten, weshalb es sich für Unternehmer und Entscheider in jedem Fall lohnt, an diesem Thema dran zu bleiben.

Gerne bieten wir Ihnen hierzu ein Sondierungsgespräch an und freuen uns darauf, wenn Sie Kontakt aufnehmen.  Eine Vielzahl an Software und anderen digitalen Werkzeugen finden Sie auf www.diserva.de.